Mobbing, Bossing, Staffing am Arbeitsplatz
Ein Fall für Mediation?
Mobbing in Betrieben ist ein ernstzunehmendes Problem. Die Geschäftsführung trifft eine Schutzpflicht. In welchen Fällen ist es möglich und sinnvoll, Mediation einzusetzen? Mediation erfordert Freiwilligkeit. Welche begleitenden Maßnahmen sind notwendig? Nützen Sie ein herausforderndes Thema, als Chance zur Veränderung!
Mobbing – ein häufiges Phänomen
Anna M. ist schlaflos, der Gedanke ans Büro verursacht Herzklopfen und Schweißausbrüche. Sie zweifelt an sich selbst, am Wochenende verkriecht sie sich in ihren 4 Wänden. Manchmal denkt sie, es geht nicht mehr. Seit sie die Teamleitung übernommen hat, tuscheln die KollegInnen hinter ihrem Rücken. In der Cafeteria ist für sie nie Platz am Tisch. Die eigene Mitarbeiterin stellt ihre Entscheidungen ständig in Frage. Zuletzt hat sie der Chef übergangen und mehrere Mails direkt an ihre Mitarbeiterin geschickt, ohne sie einzubeziehen.
Fälle wie diese sind keine Seltenheit. Circa 3 % der ArbeitnehmerInnen sind von Mobbing betroffen. Leistungsdruck und Zeitmangel am Arbeitsplatz wirken sich auf die Zusammenarbeit aus.
Unter belastenden Umständen wird Mobbing zum Ventil.
Was ist Mobbing genau?
Mobbing ist gezielte und dauerhafte, bewusste Druckausübung gegen Personen oder Personengruppen.
Es geht darum, einen Kollege/eine Kollegin vom Arbeitsplatz zu vertreiben oder auszugrenzen. Dies geschieht durch regelmäßige und systematische Angriffe.
Varianten sind das „Bossing“: hier gehen die Angriffe vom Chef/der Vorgesetzen gegen eine/n MitarbeiterIn aus. Beim „Staffing“ richten sich die MitarbeiterInnen gegen den/die Vorgesetzte/n. „Bullying“ nennt man gezielte und dauerhafte Angriffe gegen MitschülerInnen.
Mobbing passiert im Unternehmen, im Verein, im Betrieb oder in Organisationen. Folgende Elemente grenzen es vom klassischen Konflikt ab:
- Beruflicher Kontext
- Dauerhaftigkeit: die Aktionen währen über einen längeren Zeitraum
- Zielgerichtetheit: es besteht die Absicht, die Person(en) auszugrenzen oder zu entfernen
- Psychische Schwächung der gemobbten Person
Ein klassischer Konflikt kann über längere Zeit andauern, aber es fehlt eines der anderen Elemente: z.B. das Ziel der Ausgrenzung oder der berufliche Kontext.
Wer sind die „Mobbing-Opfer“?
Zielscheibe sind verschiedenste Personengruppen:
- Menschen, die neu am Arbeitsplatz hinzukommen
- ältere MitarbeiterInnen oder MitarbeiterInnen
- Menschen, die über besondere Fähigkeiten verfügen
- MitarbeiterInnen, die Unrecht aufzeigen wollen („WhistleblowerInnen“)
- Personen, die alteingesessenen MitarbeiterInnen vorgezogen wurden
- MitarbeiterInnen, die aus anderen Gründen einer Minderheit angehören:
- aufgrund ihrer Herkunft
- aufgrund ihrer sexuellen Orientierung
- aufgrund ihres Alters
- aufgrund langer Krankenstände
Diese Liste ist nicht abschließend. Es kommen all jene in Frage, die aus einer Gruppe herausstechen. Manchmal sind es Menschen, die zum „falschen Zeitpunkt am falschen Ort“ sind. Oder sie haben eine „falsche“ Bemerkung gemacht und sich damit den Unmut der anderen zugezogen. Vielleicht verfügt die Person über besondere Begabungen, aber sie kommuniziert zu wenig.
Oft befinden sich die MobberInnen in der zahlenmäßigen Übermacht. Aber auch ganze Abteilungen können ein Ziel sein.
Wie läuft Mobbing ab?
Die Angriffe sind unterschiedlich:
- spöttelnde Bemerkungen
- vielsagende Blicke unter den anderen
- gezieltes Blamieren, hinter dem Rücken des/der Betroffenen
- wiederholtes Unterbrechen
- Informationen vorenthalten
- Ausschluss von gemeinsamen Aktivitäten, den Platz nicht freigeben
- Schikanen, z.B. die Person bewusst falsch zu informieren oder zu beurteilen
- Sexistische Angriffe etc.
Bei all diesen Angriffen steht die Würde des Mobbingopfers auf dem Spiel.
Was tun Österreichs Unternehmen gegen Mobbing?
Eine repräsentative Umfrage bestätigt:
- 67 % aller ArbeitnehmerInnen waren mindestens einmal Zielscheibe von Mobbing
- 63 % geben an, dass die Geschäftsführung keine wirksamen Maßnahmen getroffen hat
- 16% aller Unternehmen haben wirksame Maßnahmen im Unternehmen etabliert
Schutzpflicht der Geschäftsleitung
Es gibt in Österreich kein eigenes Mobbinggesetz. Das Strafgesetzbuch erfasst allerdings z.B. Nötigung, Verleumdung oder üble Nachrede. Es gibt eine Reihe von Rechtsvorschriften, die man heranziehen kann, um gegen Mobbing rechtlich vorzugehen: z.B. die Persönlichkeitsrechte des ABGB bilden ebenfalls eine Grundlage.
Die Unternehmensführung hat eine gesetzliche Fürsorgepflicht. Sie muss Maßnahmen setzen, um gemobbte ArbeitnehmerInnen zu schützen. Wenn die Geschäftsleitung diese Schutzpflicht verletzt, kann der/die ArbeitnehmerIn vorzeitig austreten und erhält Urlaubsersatzleistung und Abfertigung. Dem/der ArbeitgeberIn drohen Schadenersatzansprüche für zugefügtes Leid.
Welche Intervention ist sinnvoll?
In Teams läuft es nicht immer rund: Kommunikationsprobleme, Grabenkämpfe, unklare Rollenverteilung, Überbelastung. Im schlimmsten Fall kommt es zum Mobbing.
Beim Mobbing handelt es sich um einen akuten Notstand, den Verantwortliche zeitnah beachten sollten.
Verschiedenste Maßnahmen bieten sich an:
Organisationsberatung, Führungskräfte-Coaching, Teambuilding, Mediation: kluge ManagerInnen setzen diese Interventionen rechtzeitig ein.
Mediation bei Mobbing am Arbeitsplatz?
Kritiker hinterfragen, ob Mediation bei Mobbing sinnvoll und zielführend ist. Nicht zu Unrecht! Sorgfältig eingesetzt, wird sie eine von mehreren hilfreichen Maßnahmen sein.
Es gilt zu beachten:
1) Mediation beruht auf Freiwilligkeit und Vertraulichkeit
Es ist eine Grundvoraussetzung der Mediation, dass die Beteiligten bereit dafür sind. In manchen Fällen wollen beide Seiten das Problem klären. In anderen Fällen stehen die „MobberInnen“ nicht offen zu ihrem Verhalten. Sie leugnen die Tatsache eines Konflikts vehement.
In manchen Fällen ist die Macht aufgrund von Hierarchien ungleich verteilt. Die Mediatorin muss alle kritischen Faktoren vor einer Mediation prüfen.
Vorbereitende Einzelgespräche – Pendelmediation
Eine Pendelmediation kann über anfängliche Unsicherheiten hinweghelfen: hier „pendelt“ der Mediator/die Mediatorin zwischen den Parteien, ohne dass diese persönlich zusammentreffen. Die Gesprächsinhalte sind streng vertraulich. Der/die MediatorIn gibt nur das weiter, was die Beteiligten freigeben.
Danach kann man entscheiden, ob ein gemeinsames Gespräch sinnvoll erscheint.
Begleitende Maßnahmen
Im fortgeschrittenen Stadium von Mobbing reicht es nicht aus, klärende Gespräche zu führen. Die psychische Belastung des Mobbing erfordert begleitende Maßnahmen, wie rechtliche Beratung oder psychologische Unterstützung
Ruhendes Verfahren
Eine weitere Grundregel von Mediation ist, alle Verfahren über strittige Punkte für die Dauer der Mediation auszusetzen. Das schafft Sicherheit und den Raum für Verhandlungen.
2) Mediation als Element der Organisationsentwicklung
Wenn Mobbing im Raum steht, ist es hilfreich für die Führungsebene, strukturelle Fragen miteinbeziehen. Entscheidungsbefugnisse, Ressourcenverteilung, Rollenbeschreibungen oder Führungskräfteverhalten: all diese Faktoren spielen eine Rolle.
Mobbingopfer als Sündenböcke
Der Mobbingfall ist meist die Spitze des Eisbergs. Andere Themen liegen diesem zugrunde.
Äußere Gründe werden zum Auslöser:
Eine einzelne Person wird aus opportunen Gründen zum Feindbild erklärt.
Vielleicht ist ein Personalabbau nötig. Man will von den eigenen Fehlern ablenken.
Mobbing als Ergebnis ungelöster struktureller Probleme
Strukturelle Faktoren können dazu beitragen, dass es zu Spannungen am Arbeitsplatz kommt. Wenn diese länger fortbestehen, kann sich ein Konflikt zum Mobbing entwickeln.
Die Beispiele sind zahlreich:
- ständige Unterbesetzung
- unzureichende Arbeitsplatzbeschreibung,
- mangelnde Ausstattung des Arbeitsplatzes
- MitarbeiterInnen können die Besetzung von Stellen nicht nachvollziehen
- Intransparente Entlohnung
Auf der emotionalen Ebene reichen die Ursachen von Langeweile und Stress bis zu Eifersucht. Oft besteht das banale Bedürfnis, eine Gruppe zu bilden.
Hier können klärende, mediative Gespräche im Umkreis des Mobbing hilfreich sein.
Kommunikationsstile im Unternehmen
Kommunikation ist ein wichtiger Teil der Unternehmenskultur. Diese prägt den Umgang mit Konflikten. Das hat umgekehrt Einfluss darauf, wie MitarbeiterInnen unter Druck agieren.
Wenn es keine Möglichkeit gibt, sich auszusprechen und Kritik zu üben, kommt es zu Angriffen. MitarbeiterInnen bauen ihre Unzufriedenheit bei einem „wehrlosen“ Ziel ab.
Durch gemeinsames Mobbing fühlen sich die Mitglieder einer Gruppe stärker. Es lenkt von anderen Problemen am Arbeitsplatz ab.
Mediation – eine Frage der Organisationskultur
Mediation spielt eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, die Situation zu analysieren. Mediative Gespräche im sicheren Rahmen bringen Problemfelder ans Licht.
Ideal ist der Einsatz zweier Co-MediatorInnen: sie behalten die persönlichen Aspekte und die Aspekte der Organisationsentwicklung (OE) im Auge. In gemeinsamen Gesprächen mit den Betroffenen beleuchten sie die zwischenmenschlichen und betrieblichen Interaktionen. Sie beziehen alle ein, die im Unternehmen zuständig oder betroffen sind. Vertraulichkeit ist immer Teil der Rahmenvereinbarung.
Auf dieser Basis planen die Verantwortlichen weitere Maßnahmen. Das beinhaltet Kommunikationstraining, Mediation und Aspekte der Organisationsentwicklung.
3) Rechtzeitiger Einsatz von Mediation
Konflikte am Arbeitsplatz nicht ernst zu nehmen, wirkt sich meist fatal aus. Die Grenze zwischen Konflikt und Mobbing ist fließend!
Katastrophen durch rechtzeitiges Handeln verhindern
Mediation kann Mobbing verhindern. Die Beteiligten bearbeiten ihre Konflikte rechtzeitig, statt sie zu tabuisieren.
Verantwortliche, die rechtzeitig handeln, verhindern die Eskalation. Diese reicht vom anfänglich harmlosen Konflikt, über Mobbing hin zu juristischen Schritten.
Mediation kann menschlichen und wirtschaftlichen Katastrophen vorbeugen. Die strukturierte Begleitung transformiert Spannungen am Arbeitsplatz zu konstruktiven Lösungen.
4) Positive Nebeneffekte
Oft veranlasst ein Konflikt positive Veränderung in einem Betrieb.
Es ist möglich, selbst schwierige Fälle zu lösen, wenn die Verantwortlichen ehrlich an Veränderung interessiert sind. Die Ursachen liegen häufig dort, wo es wichtig wäre, Entscheidungen zu treffen. Meist weiß man es sowieso schon lange: der Zustand ist nicht ideal – es muss etwas geschehen.
5) Formalisiertes Verfahren zur Prävention
Viele Unternehmen haben Betriebsvereinbarungen zum Thema Mobbing: sie enthalten die Früherkennung von Konflikten und geeignete Maßnahmen. Dazu gehört die Interventionspflicht der Führungskräfte und Mediation. Damit beugen sie Mobbing vor und fördern friedliche Konfliktbearbeitung am Arbeitsplatz. Sie geben notwendigen Veränderungen rechtzeitig Raum.
6) Zeitgemäße Konfliktkultur
Verantwortliche Personen entscheiden sich immer öfter für eine transparente und konstruktive Konfliktkultur im Unternehmen. Sie gehen mit gutem Beispiel voran und lassen Konflikte rechtzeitig professionell begleiten. Sie machen klar, dass Mobbing keinen Platz im Unternehmen hat.
Mediation und Mobbing
Wenn Mobbing im Raum steht, gilt es, genauere Überlegungen anzustellen: diese Faktoren gilt es zu beachten:
- Abklären: Mediation ist sinnvoll, um abzuklären, ob es sich um Mobbing handelt. Zu Beginn führen die MediatorInnen Einzelgespräche.
- Freiwilligkeit: Wenn beide Parteien zustimmen, ist eine Mediation möglich. Zusätzliche Maßnahmen, wie psychologische Unterstützung, sind wichtig. .
- Strukturelle Fragen miteinbeziehen: Interne Abläufe und Strukturen spielen eine Rolle bei der Entstehung von Konflikten. Ein MediatorInnenteam kann durch vertrauliche Gespräche Aspekte der Organisationsentwicklung zu Tage fördern. Es ist wichtig, die Konflikte im Umfeld des Mobbing zu begleiten.
- Rechtzeitig reagieren: Das Ziel ist, rechtzeitig die Spannungen im System zu entschärfen. So verhindern die Verantwortlichen, dass sich ein Konflikt zum Mobbing entwickelt.
- Vorbeugen: Vorbeugende Maßnahmen beinhalten Betriebsvereinbarungen und eine offene Konfliktkultur. Diese sieht rechtzeitige Mediation mit dem Ziel vor: nicht eskalieren, sondern transformieren!